Das Bundesverfassungsgericht hat sich damit beschäftigt, ob eine gesetzliche Krankenversicherung dem Patienten die Behandlung im Wege der Sachleistung verweigern darf, wenn der Patient vor Beginn der Behandlung nicht die Entscheidung der Krankenkasse abgewartet hat.
Eine AOK-Versicherte liess sich einen bösartigen Hirntumor operativ entfernen, brach allerdings die folgende Radio-Chemotherapie ein halbes Jahr darauf ab. Als kurz darauf ein Tumorrezidiv diagnostiziert wurde, liess sie dies neurochirurgisch entfernen und beantragte eine Elektro-Tiefen-Hyperthermie und eine Behandlung mit dendritischen Zellen, was ca. 17.000 € /Quartal kosten sollte. Die Kostenübernahme wurde von der AOK verweigert, da es sich um experimentelle Behandlungen handle, obwohl Standardtherapien verfügbar seien. Die Patientin hatte die Behandlung bereits begonnen und bis dahin für die Kosten slebst aufgekommen. Weil dies dann nicht mehr möglich war, beantragte sie eine einstweilige ANordnung der KOstenübernahme durch die AOK.
Die erste Instanz lehnte mit der Begründung ab, dies sei keine Therapie nach allemein annerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse. Da die Patientin bereits vor Kostenzusage der AOK die Behandlung begonnen hatte, bestand auch kein Kostenerstattungsanspruch.
Dagegen erhob die Patientin Verfassungsbeschwerde, woraufhin das Budnesverfassungsgericht in seinem Beschluss zunächst ausführte:
„
dass sich aus den Grundrechten ein Anspruch auf nicht allgemein anerkannte medizinische Behandlungsmaßnahmen ergeben kann, wenn bei einer lebensbedrohlichen oder sogar regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung schulmedizinische Behandlungsmethoden nicht vorliegen und eine medizinisch begründete Erfolgsaussicht der erstrebten Behandlung besteht.“
Vorliegend war jedoch eine Chemotherapie verfügbar. Die Entscheidung des Sozialgerichts hatte demnach Bestand.
Vorliegend gehe es um die zukünftige Versorgung mit einer außervertraglichen Behandlungsmethode, deshalb könne der Patientin kein Kostenerstattungsanspruch, sondern ein Anspruch auf ärztliche Heilbehandlung zustehen, welche unmittelbar zwischen der Krankenkasse und dem behandelnden Arzt abgerechnet werde. Während das Landessozialgericht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die Kostenerstattung allein deshalb abgelehnt hat, weil die Patientin die Therapie bereits vor Antragstellung begonnen hat (mit Verweis darauf, daß es sich bei der Kombinationstherapie um ein einheitliches Behandlungskonzept handele), ist das Bundesverfassungsgericht hingegen der Auffassung, daß das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung keine Vorschrift kenne,
„… welche den auf die Zukunft bezogenen Sachleistungsanspruch des Versicherten auf ärztliche Behandlung ausschließt, weil für in der Vergangenheit liegende Behandlungen die Kostenübernahme nicht rechtzeitig beantragt worden war.“
Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus, daß auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei laufenden Leistungen oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Behandlungen die ablehnende Entscheidung einer Krankenkasse als zeitliche Zäsur angesehen werde. Die Kostenerstattung sei dann nur für solche Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung auf eigene Kosten des Patienten erbracht wurden. Dies gelte jedoch nicht für zukünftige Leistungen.
Ein Patient hat nach Auffassung des Bundessozialgerichts also allenfalls dann keinen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn es sich um in der Vergangenheit liegende Behandlungen handelt, für welche kein beschiedener Antrag der Krankenkasse vorliegt. Sobald ein ablehnender Bescheid der Krankenkasse vorliegt, tritt eine zeitliche Zäsur ein, welche die Kostenerstattung für ab diesem Zeitpunkt erbrachte Leistungen ermöglicht, sofern die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Zudem ist zu beachten, daß im System der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich das Sachleistungsprinzip gilt, für zukünftige Behandlungen also keine Kostenerstattung erfolgen kann, sondern die Abrechnung vielmehr direkt zwischen Arzt und Krankenkasse erfolgt.