Die im Apothekengesetz enthaltene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit lässt sich mit dem Ziel rechtfertigen, eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. In diesem Zusammenhang hat der EuGH den ganz besonderen Charakter der Arzneimittel betont, deren therapeutische Wirkungen sich substanziell von den übrigen Waren unterscheiden. In Anbetracht der daraus resultierenden Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und das finanzielle Gleichgewicht der Sozialversicherungssysteme können die Mitgliedsstaaten die mit dem Einzelhandelsvertrieb der arzneimittelbetrauten Personen, u.a. was die Modalitäten ihrer Vermarktung und das Gewinnstreben anbelangt, strengen Anforderungen unterwerfen. Insbesondere können sie den Verkauf von Arzneimitteln im Einzelhandel grundsätzlich Apothekern vorbehalten, wegen der Garantien, die diese bieten müssen, und Informationen, die sie den Verbrauchern geben können müssen.
Der EuGH geht dabei davon aus, dass ein Apotheker zwar auch das Ziel verfolgt, Gewinne zu erwirtschaften, dass dieses Interesse jedoch durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm obliegende Verantwortung gezügelt wird, da ein etwaiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder berufsrechtliche Regeln nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene berufliche Existenz erschüttert. Nichtapotheker unterscheiden sich nach Auffassung des EuGH von Apothekern dadurch, dass sie definitionsgemäß keine derjenigen der Apotheker entsprechende Ausbildung, Erfahrung und Verantwortung haben. Sie bieten daher nicht die gleichen Garantien wie Apotheker.
Der EuGH hat ferner ausgeführt, dass die Mitgliedsstaaten berechtigt sind, im Rahmen ihres Wertungsspielraums zu beurteilen, ob eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung dadurch vorliegt, dass Hersteller und Großhändler pharmazeutischer Produkte die Unabhängigkeit angestellter Apotheker dadurch beeinträchtigen könnten, dass sie diese zu einer Förderung derjenigen Arzneimittel anhalten, die sie selbst herstellen oder vertreiben. Hierbei kommt es dem EuGH nicht auf die Rechtslage an, sondern darauf, wie wahrscheinlich es ist, dass Nichtapotheker angestellten Apothekern unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften Auflagen machen könnten, die im Ergebnis der Gesundheit der Bevölkerung schaden könnten.
Dadurch, dass der EuGH hier einen Wertungsspielraum der einzelnen Mitgliedsstaaten dahingehend eingeräumt hat, wie hoch und mit welchen Mitteln diese die Gesundheit ihrer Bevölkerung im Rahmen der Arzneimittelversorgung schützen möchten, bleiben die Regelungen anderer Mitgliedstaaten zulässig, die Fremdbesitz von Apotheken erlauben.
Auch die im Deutschen Apothekengesetz vorgesehenen Ausnahmeregelungen – befristete Fortführung einer Apotheke durch Erben, Krankenhausapotheken, Betrieb von bis zu 3 Filialen mit Hilfe von angestellten Apothekern – bleiben zulässig.
Quelle: medizinrecht.de